19. April 2012
3sat – Kulturzeit
-Transskript-
Michael Thalheimer zur “Blackface”-Debatte
Regisseur Michael Thalheimer hat seine Inszenierung von Dea Lohers “Unschuld” am Deutschen Theater verändert. Aus “Blackfacing” wurde “Whitefacing”. Hannah Kristina Friedrich hat ihn dazu interviewt.
Hannah Kristina Friedrich:
Sie haben jetzt Ihre Inszenierung am Deutschen Theater verändert. Statt Blackfacing, Whitefacing. – Warum?
Michael Thalheimer:
Das hat einen ganz einfachen Grund. Ich hab mich erst, ich war erst ‘mal über den Vorgang sehr überrascht, daß ein Teil des Publikums, ein spezieller Teil des Publikums, ehm, hauptsächlich schwarze Schauspieler und Künstler, sich angegriffen und provoziert gefühlt haben. Das war nicht der Sinn, ja. Sondern ich berufe mich da ganz einfach auf eine Theatertradition. Nennen wir sie Verfremdung, ja. Der Vorwurf, daß das, ehm, mit Rassismus zusammenhängt, hat mich sehr überrascht, weil ich glaube, daß jeder, der meine Arbeit kennt oder per se auch nur die Arbeit des Deutschen Theaters oder des Theaters überhaupt, ja, die, wenn sie sich einsetzen, ja ausschließlich, oder, äh, dann auch für Randgruppen, sage ich ‘mal, einsetzen, ja. Den Vorwurf zu machen, das hat mich erst sehr überrascht. Aber, in der Diskussion über dieses Thema, ist mir eins bewußt geworden: Wenn -, weil es gibt ja in Amerika dieses … diese andere Tradition, ja, das weiße Schauspieler sich ‘mal schwarz angemalt haben, um … aus rassistischen Gründen, ja, um den Schwarzen auf der Bühne als dummen Menschen darzustellen. Weit entfernt davon ist die Inszenierung „Unschuld“ am Deutschen Theater, ja. Aber ich habe gespürt, daß trotz der Diskussionen und der verschiedenen, ehm, Kunstansätze, ja, die Menschen sich trotzdem verletzt gefühlt haben, ja. Und dann finde ich, hat das Theater oder die Kunst auch eine Chance, da ich die Verletzung nicht möchte. – Theater soll verletzen! – , aber nicht auf diese Art und Weise. Da ist es mir dann leicht gefallen, ja, zu sagen: Wenn das verletzt, – was ich so nicht möchte – dann ändere ich das. Und da fällt mir dann auch kein Zacken aus der Krone, äh, äh, sondern, ich finde das dann geradezu logisch in der Konsequenz, ja, daß die Kunst dann auch so großzügig sein kann, um das zu ändern, weil es bestimmte Leute in einer ganz bestimmten Art verletzt, die so nicht gemeint ist. Und, wenn das Tatsache ist, dann möchte ich das ändern, weil das nicht gemeint ist.
HKF:
Ist dann … Halten Sie dieses Blackfacing, diese Tradition denn für rassistisch?
MT:
Ehm, so wie wir sie bis anhin in unserer Tradition, äh, benutzen, ja, – und da kann ich bei der Antike anfangen, ja, oder auch bei Shakespeare, daß Frauen auf der Bühne, äh, äh, Frauenrollen durch Männer dargestellt wurden, daß wir, ehm, ehm, Masken, ja, seit Dreitausend Jahren im Theater benutzen, ja … Ehm, auch die Verfremdung bis hin zu Berthold Brecht zu gehen, ja, daß man durch das schwarze anmalen eine Verfremdung herbeischafft, die man banal ausgedrückt auch so nennen könnte, wie: Man entdeckt als Weißer Schauspieler das Schwarze in sich selbst und, daß es nicht auf die Hautfarbe per se ankommt, ja, sondern wie auf das reagiert wird, ja. Das halte ich ja gerade nicht für rassistisch, ja. Aber es hört in dem Moment auf eine Diskussion zu sein, – und ich möchte mich im Theater nie rechtfertigen – wenn eine Grenze überschritten wird, die da heißt: Es verletzt jemanden aus diesem Grund. Weil es natürlich eben auch, ja, eine andere Tradition gibt, wie in der USA. Und darauf habe ich dann doch gerne reagiert und gesagt: Es ist auch … es bleibt künstlerisch wertvoll – und wir haben das ja dann auch gewechselt, äh, von der schwarzen Farbe ganz bewußt zu der übertriebenen weißen Farbe. Ein weißer Schauspieler, der sich noch weißer schminkt, ja. Und ich habe den ähnlichen Effekt auf der Bühne, ja, ohne daß ich diese Gruppe von Menschen verletze. Und das ist mir dann einfach gefallen, diese Entscheidung.
HFK:
Ist es denn wirklich so, daß es keine Schwarzen in Theatern gibt? Also, das ist ja dahin auch noch die anhängliche Diskussion.
MT:
Ehm, ich finde, natürlich sollte das Theater sich das immer wieder ins Bewußtsein rufen, auch die Schauspielschulen, ja, daß wir bei der Ausbildung schon anfangen, ja, sag ich ‘mal, das Spiegelbild der Gesellschaft zu repräsentieren. Und das beginnt in der Ausbildung, in der Schule und später im Studium, ja. Und keine Frage, hat da Deutschland einiges nachzuholen und ist da einiges versäumt worden, ja. Die berühmte „Integrationsdebatte“, ja. Im Moment ist es aber so, ja, daß die Vielzahl an schwarzen Schauspielern, ja, oder an türkischen Schauspielern, oder nennen Sie … nennen wir einfach Schauspieler mit Migrationshintergrund, ja, in den Ensembles nicht zur Verfügung stehen. Und das ist einfach erst ‘mal eine Tatsache, ja. Und ich halte es auch nicht für richtig, ja, nur – und jetzt werde ich etwas polemisch – den schwarzen Schauspieler für ‚Othello‘ zu besetzen, ja. Das halte ich für nicht hilfreich, sondern wenn, müssen wir den Schritt gehen, daß Schauspieler mit Migrationshintergrund, ja, und auch schwarze Schauspieler eben alle Rollen, ja, wie der weiße Schauspieler eben auch auf der Bühne spielen sollte. Erst wenn das, dieser Schritt – irgendwann, in der Zukunft – getan wird, ja, glaube ich, wird es dieses Problem nicht mehr geben.